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Unternehmer- und Freiberufler-Brief des Monats November 2009

 

1.

Besteuerung von Jahreswagen

2.

Widerruf eines Steuerbescheids vor dem Zugang beim Empfänger

3.

Kein Geld für Laser-OP

4.

Leistungen einer Praxisausfallversicherung

5.

Beendigung der Organschaft durch Zwangsverwaltung

6.

EuGH - Generalanwalt: Uneingeschränkte Betriebszugehörigkeit

7.

Alter als Sozialauswahlkriterium nicht diskriminierend

8.

Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei fehlenden Haupttätern

9.

Beschränkung von Stellenausschreibungen auf Berufsanfänger

10.

Verein: Satzungsänderung verkürzt Vorstandsamtsperiode

11.

Minijob-Beurteilung: Ständige Überwachung durch Arbeitgeber = Pflicht

12.

Anbau von Zuckermais ist bewertungsrechtlich gärtnerische Nutzung

13.

Kurzfristige Verpachtung von Stall und Kühen zur Milchabgabevermeidung

14.

Haftungsbeschränkung bei Arbeitsunfällen ist verfassungsgemäß

15.

Klageerhebung per E-Mail in NRW ohne qualifizierte digitale Signatur

16.

LuF: Errichtung von Reihenhäusern als Entnahme

17.

Grundpreise müssen auf einen Blick mit dem Endpreis wahrnehmbar sein

18.

Schmerzensgeld vom Zahnarzt: Patient ist kein Versuchskaninchen

19.

Die Vereinsrechtsreform kommt

20.

Gefahrenzulagen stellen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar

21.

Betriebsprüfungen im Jahrestakt

22.

Wettbewerbliche Irreführung durch Zeichen mit dem Zusatz ®

23.

Offenlegung von Jahresabschlüssen im eBundesanzeiger wird billiger

24.

BFH: "Untervermittler" mit Zuführungsprovision

25.

Insolvenzverwalter darf nur ausnahmsweise Lohn zurückverlangen

26.

Urheberrechtsschutz für Allgemeine Geschäftsbedingungen?



1. Besteuerung von Jahreswagen

Kernproblem
Zum Arbeitslohn gehören auch Vorteile, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer durch verbilligte Überlassung von Waren oder Dienstleistungen einräumt. Handelt es sich dabei um Leistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden, kann neben dem Bewertungsabschlag von 4 % zudem ein steuerfreier Rabattfreibetrag von 1.080 EUR in Abzug gebracht werden. Ob überhaupt ein Vorteil vorliegt, bestimmt sich nach dem fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angebotenen Endpreis. Das ist häufig der unabhängig von Rabattgewährungen ausgewiesene Preis, sofern nicht nach den Gepflogenheiten im allgemeinen Geschäftsverkehr tatsächlich ein niedrigerer Preis gefordert wird. Insbesondere die Rabattgewährung der Automobilhersteller an eigene Mitarbeiter führt in der Praxis immer wieder zu unterschiedlichen Auffassungen und damit zum Streit mit dem Finanzamt, denn die vom Markt erwarteten Kundenrabatte sind hier i. d. R. sehr hoch.

Sachverhalt
Der Arbeitnehmer eines Automobilherstellers hatte von diesem ein Neufahrzeug mit einem Listenpreis (unverbindliche Preisempfehlung) von 17.917 EUR zu einem Kaufpreis von 15.032 EUR erworben. Der Arbeitgeber ging jedoch (vor Bewertungsabschlag und Rabattfreibetrag) von einem üblichen Hauspreis von 17.200 EUR aus, was das Finanzamt beanstandete. Der Preis war auch nicht weltfremd, denn im Streitjahr gewährten die Autohäuser schon ohne Preis- und Vertragsverhandlungen einen Rabatt von 8 % auf die unverbindliche Preisempfehlung, was einem Endpreis von 16.483 EUR entsprach.

Entscheidung
Nach der Entscheidung des BFH bildet der Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angebotene (hier um 8 % geminderte) Preis die Ausgangslage für die Ermittlung des geldwerten Vorteils. Der für die Vorteilsbemessung zu suchende Preis sei kein typisierter und pauschalierter Wert, wie etwa der inländische Listenpreis, der bei Ermittlung der Vorteile einer Dienstwagengestellung Berücksichtigung findet. Von daher seien die in den unverbindlichen Preisempfehlungen der Automobilhersteller angegebenen Verkaufspreise stets ungeeignet, die von Arbeitnehmern zu versteuernden Vorteile aus einem Jahreswagenrabatt zu bestimmen.

Konsequenz
Nach dieser Entscheidung ging das Finanzamt komplett leer aus. Denn nach Abzug des gesetzlichen Bewertungsabschlags von 4 % auf den üblichen Endpreis von 16.483 EUR lag der Vorteil des Arbeitnehmers unter dem Rabattfreibetrag.


2. Widerruf eines Steuerbescheids vor dem Zugang beim Empfänger

Kernaussage
Teilt der Sachbearbeiter nach Aufgabe des Steuerbescheids zur Post, aber vor dessen Zugang, dem Empfangsbevollmächtigten telefonisch mit, der Bescheid sei falsch und solle deshalb nicht bekanntgegeben werden, wird dieser trotz des späteren Zugangs nicht wirksam.

Nimmt ein nicht zur Entgegennahme von Willenserklärungen ermächtigter Mitarbeiter des Empfangsbevollmächtigten die Mitteilung entgegen, ist diese zu dem Zeitpunkt zugegangen, zu dem unter regelmäßigen Umständen damit zu rechnen ist, dass der Mitarbeiter als Empfangsbote die Mitteilung weiterleitet.

Sachverhalt
Gegen den Kläger wurden seitens des beklagten Finanzamts Aussetzungszinsen festgesetzt. Die Poststelle gab den Bescheid am Vormittag des 6.10.2005 zur Post. Danach merkte der Sachbearbeiter, dass er von einem unrichtigen Zinsbeginn ausgegangen war und rief am selben Tag bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers an. Er teilte einem dortigen Mitarbeiter mit, dass der Bescheid wegen des Fehlers nicht bekannt gegeben werden solle und ein neuer erlassen werde. Mit Bescheid vom 17.10.2005 setzte der Beklagte sodann höhere Zinsen fest. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und machte geltend, der 2. Bescheid hätte nicht erlassen werden dürfen, da der vorausgegangene wirksam geworden sei. Das FG gab der Klage statt. Die Revision des Beklagten war begründet.

Entscheidung
Ein Zinsbescheid wird erst mit der Bekanntgabe an denjenigen, für den er bestimmt ist, wirksam. Ein Bescheid wird aber dann nicht wirksam, wenn die Behörde dem Empfänger vor oder mit dem Zugang mitteilt, dass der Bescheid nicht gelten soll. Nach der auch hier geltenden zivilrechtlichen Vorschrift (§ 130 BGB) wird ein Verwaltungsakt nur dann mit dem Zugang beim Empfänger wirksam, wenn ihm nicht vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Für den Widerruf reicht eine mündliche Mitteilung aus. Für den Fall, dass Zweifel bestehen, ob und wann das Finanzamt den Widerruf mitgeteilt hat, liegt die Beweislast bei der Behörde.

Konsequenz
Der erste Bescheid war wegen des erfolgten Widerrufs durch den Beklagten nicht wirksam geworden. Der Korrekturbescheid galt daher als erstmaliger Zinsbescheid, so dass der Beklagte die Zinsen abweichend vom vorangegangenen Bescheid festsetzen durfte.


3. Kein Geld für Laser-OP

Kernaussage
Eine Lasik-Operation zur Behandlung von Fehlsichtigkeiten ist keine medizinisch notwendige Heilbehandlungsmaßnahme. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten durch die private Krankenversicherung besteht nicht.

Sachverhalt
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine private Krankenversicherung. Versichert waren die medizinisch notwendigen Heilbehandlungen wegen Krankheit. Im Jahr 2008 unterzog sich der Kläger einer sog. Lasik-Operation, um seine Fehlsichtigkeit zu korrigieren. Die Kosten dafür i. H. v. 4.324 EUR verlangte er von seiner Versicherung ersetzt. Diese weigerte sich, die Kosten zu übernehmen, da keine Krankheit vorgelegen habe. Im Übrigen sei die Operation nicht medizinisch notwendig; sie berge auch erhebliche Risiken. Das Amtsgericht wies die Klage ab.

Entscheidung
Nach Ansicht des Gerichts fehlt es an der medizinischen Notwendigkeit der Operation. Eine Heilbehandlungsmaßnahme ist dann medizinisch notwendig, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu bessern oder zu lindern. Medizinisch notwendig kann eine Behandlung auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht vorhersehbar ist. Zwar werden Lasik-Operationen heute zur Behandlung von Fehlsichtigkeiten häufig herangezogen, aber solche Behandlungen sind mit einem derart übergroßen Risiko verbunden, dass sie nicht mehr als medizinisch notwendig charakterisiert werden können. Bei der Durchführung einer Laseroperation bestehen zahlreiche Risiken, die beim Tragen einer Brille nicht auftreten. Sie kann im Einzelfall zu schweren Sehstörungen bis hin zur Erblindung führen. Eine Brille hingegen gleicht die Fehlsichtigkeit ohne Risiko aus. Darüber hinaus muss oftmals trotz der Operation vom Patienten noch eine Brille zum Ausgleich der verbliebenen Sehschwäche getragen werden, die als erforderliches Hilfsmittel vom Versicherer zu bezahlen ist. Die Laser-Operation ist eher als Schönheits-OP einzustufen.

Konsequenz
Wird durch eine Operation lediglich die Fehlsichtigkeit korrigiert, die auch durch das Tragen einer Brille ausgeglichen werden kann, muss die Kasse die Kosten nicht übernehmen.


4. Leistungen einer Praxisausfallversicherung

Kernproblem
Bei der Praxis- oder Kanzleiausfallversicherung, die vor allem von Freiberuflern und Einzelgewerbetreibenden in Anspruch genommen wird, ersetzt die Versicherungsgesellschaft die fortlaufenden Praxis- oder Kanzleikosten. Typische Versicherungsgründe hierfür sind eine krankheits- oder unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Betriebsinhabers, eine gesundheitspolizeilich verfügte Quarantänemaßnahme oder eine durch Brand, Wasser, Einbruch ausgelöste Betriebsunterbrechung. Im Streitfall hatte eine Ärztin eine solche Versicherung (Arbeitsunfähigkeit und Quarantäne) abgeschlossen. Nach einem Sturz war sie längere Zeit krank. Die Versicherung erstattete ihr die fortlaufenden Betriebskosten. In den Vorjahren waren die Versicherungsbeiträge stets als Betriebsausgaben abgezogen worden. Die Frage war, ob das richtig war und wie die Erstattungen steuerlich zu behandeln sind?

Bisherige Rechtsprechung
Ob Ansprüche und Verpflichtungen aus einem Versicherungsvertrag zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehören, beurteilt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nach der Art des versicherten Risikos. Bezieht sich die Versicherung auf ein betriebliches Risiko, führt sie zu Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen; ist dagegen ein außerbetriebliches Risiko versichert, können Ausgaben allenfalls als Sonderausgaben berücksichtigt werden, während die Versicherungsleistungen nicht steuerbar sind.

Entscheidung
Der BFH entschied, dass die Zahlungen der Versicherung keine Betriebseinnahmen aus der freiberuflichen Tätigkeit der Ärztin darstellen. Denn die Praxisausfallversicherung sei, soweit das Krankheitsrisiko abgedeckt werde, keine betriebliche Versicherung. Entscheidend für die Zuordnung ist die Art des versicherten Risikos. Krankheit ist aber, von Sonderfällen wie der Berufskrankheit abgesehen, grundsätzlich kein betriebliches, sondern ein privates Risiko. Anders sei das ebenfalls mitversicherte Risiko der Quarantäne zu beurteilen. Dieses hänge mit dem Betrieb zusammen. Entsprechende Leistungen der Versicherung sind damit Betriebseinnahmen, die Versicherungsbeiträge können insoweit als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Konsequenz
Hinsichtlich des Betriebsausgabenabzugs der Versicherungsbeiträge ist bemerkenswert, dass der Senat ein Aufteilungsverbot ablehnt. Da die Praxisausfallversicherung mit unterschiedlichem Schutzumfang angeboten werde (z. B. Versicherung nur gegen Krankheit oder gegen Krankheit und betriebliche Sachgefahren) und sich die Prämienhöhe entsprechend unterscheide, sei eine Abgrenzung der betrieblichen von der privaten Sphäre möglich.


5. Beendigung der Organschaft durch Zwangsverwaltung

Einführung
Ist eine Kapitalgesellschaft wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch in ein anderes Unternehmen eingegliedert (Organschaft), verliert die Kapitalgesellschaft (Organgesellschaft) umsatzsteuerlich ihre Selbstständigkeit. Die Abführung der Umsatzsteuer aus Umsätzen der Organgesellschaft obliegt dem Organträger. Geht die Organgesellschaft in die Insolvenz, kann die Finanzverwaltung sich so hinsichtlich der Umsatzsteuer am Organträger schadlos halten.

Fall
Zwischen dem Kläger und einer GmbH, deren einziger Gesellschafter der Kläger war, bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft. Die sachliche Verflechtung ergab sich durch die Verpachtung des von der GmbH genutzten Betriebsgrundstückes durch den Kläger. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten sowohl des Klägers als auch der GmbH wurde auf Antrag eines Gläubigers das Betriebsgrundstück zunächst unter Zwangsverwaltung gestellt und später zwangsversteigert. Nachdem die GmbH in die Insolvenz gegangen war, verlangte das Finanzamt vom Kläger die Umsatzsteuer aus den Umsätzen der GmbH bis zum Zeitpunkt der Versteigerung des Betriebsgrundstückes. Nach Ansicht des Klägers endete die Organschaft jedoch mit Anordnung der Zwangsverwaltung und somit die Pflicht, Umsatzsteuer für die GmbH zu leisten.

Urteil
Nach Ansicht des BFH wird die Organschaft durch die Anordnung der Zwangsverwaltung bei gleichzeitiger Anordnung der Zwangsversteigerung beendet. Der BFH lässt allerdings offen, ob bereits die Anordnung der Zwangsverwaltung für sich genommen gemäß dem Urteil des FG Baden-Württemberg zum gleichen Ergebnis führt.

Konsequenz
Die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Insolvenz der Organgesellschaft zum Ende der Organschaft führt, beschäftigt regelmäßig die Finanzgerichte. Organträger, die sich diesem Risiko nicht stellen wollen, können versuchen, die Organschaft bei drohender Insolvenz der Organgesellschaft vorzeitig durch Aufhebung der Eingliederungskriterien zu beenden. Dies wird jedoch häufig aus wirtschaftlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sein.


6. EuGH - Generalanwalt: Uneingeschränkte Betriebszugehörigkeit 

Sachverhalt
Seit Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist eine der am meisten umstrittenen Fragen, ob die Regelungen aus Gesetz oder Tarifvertrag, nach denen geleistete Betriebszugehörigkeitszeiten bis zum 25. Lebensjahr bei der Bestimmung der für die Kündigungsfrist maßgeblichen Betriebszugehörigkeit nicht mitgezählt werden, noch zulässig sein können. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg haben die entsprechenden Regelungen als unwirksam erachtet. Das gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg laufende Revisionsverfahren ist noch nicht beendet. Anders beurteilen die Lage das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Beide sind der Auffassung, dass vorab eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage erforderlich ist, ob die entsprechende deutsche Gesetzesregelung europarechtswidrig ist. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat daher diese Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Schlussanträge des Generalanwalts
Entsprechend dem Verfahrensgang vor dem Europäischen Gerichtshof hat der Generalanwalt am 7.7.2009 jetzt in der Vorlagefrage seine Entscheidungsempfehlung vorgelegt. Er kommt zu dem Schluss, dass die deutsche Gesetzesregelung europarechtswidrig ist, weil sie einer altersabhängigen Staffelung von Kündigungsfristen gleichkomme. Mit der Entscheidung des Gerichtshofs wird Ende des Jahres gerechnet.

Konsequenz
Arbeitgeber werden sich (wohl) darauf einstellen müssen, dass altersabhängig gestaffelte Kündigungsfristen, unabhängig davon, ob diese Staffelung aus Gesetz oder Tarifvertrag kommt, unwirksam sind. Das heißt, die für die Kündigungsfrist maßgebliche Betriebszugehörigkeit wird (sicherheitshalber bereits jetzt zur Risikobeurteilung) vom ersten Tag der Betriebszugehörigkeit an gerechnet werden müssen.


7. Alter als Sozialauswahlkriterium nicht diskriminierend

Kernfrage/Rechtslage
Nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes war und ist bei diversen arbeitsrechtlichen Gesetzesregelungen ihre Zulässigkeit streitig. Hierzu gehört u. a. die Regelung des Kündigungsschutzgesetzes, nach der bei der Vornahme der Sozialauswahl im Rahmen betriebsbedingter Kündigungen nach den Kriterien Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung vorzugehen ist. Durch die Berücksichtigung des Lebensalters können jüngere Arbeitnehmer diskriminiert werden, weil ältere Arbeitnehmer alleine durch das Alter einen höheren Sozialschutz genießen. Altersdiskriminierungen sollen aber durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verboten werden.

Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr - nachdem die Instanzgerichte abweichende Urteile gefällt hatten - klargestellt, dass das Alter weiterhin als zutreffendes Kriterium in der Sozialauswahl zu berücksichtigen sei. Geklagt hatte ein nach Sozialauswahl gekündigter, älterer Arbeitnehmer, wobei in der Sozialauswahl dem Kriterium "Alter" gegenüber den Kriterien "Betriebszugehörigkeit", "Schwerbehinderung" und "Betriebszugehörigkeit" nur untergeordnete Bedeutung beigemessen worden war. Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl zwar eine an das Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung darstelle, diese aber gerechtfertigt sei, weil damit die Schwierigkeiten älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollten.

Konsequenz
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts klärt eine Streitfrage, die sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ergab, abschließend. Ist eine Sozialauswahl erforderlich, dann muss auch das Alter in ausreichendem Maße im Vergleich zu den anderen Sozialauswahlkriterien berücksichtigt werden.


8. Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei fehlenden Haupttätern

Kernaussage
Die Haftung des Leiters der Wertpapierabteilung eines Kreditinstituts für hinterzogene Steuern von Wertpapierkunden ist zweifelhaft, wenn die Steuerhinterziehung nicht individuell festgestellt werden kann.

Sachverhalt
Mit dem streitgegenständlichen angefochtenen Haftungsbescheid wurde der antragstellende Leiter der Wertpapierabteilung eines Kreditinstituts vom Antragsgegner, dem Finanzamt, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 71 AO) in Haftung genommen. Auf seine Initiative hin und mit seiner Billigung waren in zahlreichen Fällen Wertpapiere anonym ins Ausland übertragen worden, um die späteren Erträge der deutschen Besteuerung endgültig zu entziehen. Der Antragsgegner hatte trotz Kooperation des Kreditinstituts die betreffenden Steuerpflichtigen zwar nicht ermitteln können. Er hatte aber aufgrund von statistischen Auswertungen seiner bei anderen Steuerpflichtigen getroffenen Feststellungen die Höhe der hinterzogenen Einkommensteuer geschätzt und - vermindert um einen Abschlag von 25 % - zur Grundlage des angefochtenen Haftungsbescheids gemacht. Das FG lehnte den hiergegen gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheids bis zum Ende des finanzgerichtlichen Verfahrens ab. Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers hob der BFH den Beschluss des FG auf.

Entscheidung
Der BFH hatte bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel, ob der Haftungsbescheid rechtmäßig ist. Es ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt, welche Auswirkungen es für die Haftung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung hat, wenn die mutmaßlichen Haupttäter einer Steuerhinterziehung nicht ermittelt werden können und folglich nicht individuell festgestellt werden kann, ob eine Steuerhinterziehung überhaupt begangen und welche Steuer dadurch konkret hinterzogen wurde.

Konsequenz
Die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids war zu gewähren. Es war zweifelhaft, ob sich das Vorliegen einer Steuerhinterziehung im Einzelfall mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsaussagen begründen lässt und ob eine statistisch belastbare Aussage über das Verhalten von Wertpapierinhabern getroffen werden kann.


9. Beschränkung von Stellenausschreibungen auf Berufsanfänger

Kernfrage/Rechtslage
Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sind nicht nur unmittelbare, sondern auch mittelbare Diskriminierungshandlungen untersagt. Solche mittelbaren Diskriminierungshandlungen sind oftmals in Stellenausschreibungen zu finden, wenn beispielsweise nur eine bestimmte Gruppe angesprochen wird. Oftmals handelt es sich dabei um Stellenausschreibungen, die sich entweder an "Berufseinsteiger" oder "erfahrene Kräfte" wenden. Mittelbar können damit entweder jüngere oder ältere Arbeitnehmer benachteiligt werden. Allerdings können insbesondere mittelbare Altersdiskriminierungen aus unternehmerischen Gründen gerechtfertigt sein. Das Bundesarbeitsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob ein begrenztes Personalbudget einen Rechtfertigungsgrund darstellen kann.

Entscheidung
Ein Arbeitgeber hatte wiederholt interne Stellenausschreibungen mit dem Zusatz "Tarifgruppe [ … ]/1. Berufsjahr" versehen. Dabei lag das Durchschnittsalter der Mitarbeiter im 1. Berufsjahr bei 29 Jahren. In den folgenden Berufsjahren (2, 3 …) stieg das Durchschnittsalter stetig deutlich an. Gegen diese Praxis klagte der Betriebsrat, der in der Stellenausschreibung eine mittelbare Altersdiskriminierung der älteren Mitarbeiter höherer Berufsjahre sah und zuletzt vor dem Bundesarbeitsgericht gewann. Das Gericht wies den Einwand des Arbeitgebers, der seine Praxis dadurch gerechtfertigt sah, dass durch den Einsatz von Berufsanfängern das berechtigte unternehmerische Interesse durchgesetzt werde, Kosten bei knappem Personalbudget zu sparen, zurück. Das Argument der Kosteneinsparung könne auch bei knappem Personalbudget in keinem Fall die Diskriminierung älterer Arbeitnehmer rechtfertigen.

Konsequenz
Die Konsequenz der Entscheidung liegt in ihrer klaren Aussage, dass Kosteneinsparungsgründe wohl generell weder unmittelbare noch mittelbare Diskriminierungshandlungen rechtfertigen können. Erforderlich ist damit vielmehr ein höheres unternehmerisches Anliegen, wie beispielsweise die Schaffung eines altersgerecht strukturierten Mitarbeiterstamms.


10. Verein: Satzungsänderung verkürzt Vorstandsamtsperiode

Kernfrage/Rechtslage
Bei einem eingetragenen Verein werden Satzungsänderungen mit Eintragung des Beschlusses über die Satzungsänderung in das Vereinsregister wirksam. Das bedeutet, dass mit dem Tag der Eintragung in das Vereinsregister das Vereinsleben alleine durch die Satzung in ihrer ab dann geltenden Fassung bestimmt wird und von den Vereinsorganen beachtet werden muss. Das Landgericht Koblenz hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob eine Satzungsänderung eine so weitreichende Konsequenz hat, dass auch die Amtszeit des nach der alten Satzung gewählten Vorstandes verkürzt wird.

Entscheidung
Der Vereinsvorstand war satzungsgemäß im Jahre 2006 für 4 Jahre gewählt worden. Im Folgejahr beschloss die Mitgliederversammlung durch Satzungsänderung, dass die Amtszeit des Vorstandes zukünftig nur noch 2 Jahre betragen solle. Für die Gesellschafterversammlung des Jahres 2008 sah die Tagesordnung nicht den Punkt "Neuwahlen des Vorstandes" vor. Ein entsprechendes Begehren aus dem Mitgliederkreis wurde zurückgewiesen. Nachdem die Mitgliederversammlung ohne Neuwahl stattgefunden hatte, klagte ein Teil der Mitglieder auf Feststellung der Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse und auf Durchführung einer neuen Mitgliederversammlung zum Punkt "Neuwahlen des Vorstandes". Das Landgericht Koblenz gab dem Klagebegehren Recht. Das Wirksamwerden von Satzungsänderungen durchbricht auch nach alter Satzung rechtskräftig gefasste Beschlüsse der Mitgliederversammlung. Ab dem Datum der Eintragung in das Vereinsregister ist alleine die neue Fassung der Satzung maßgeblich.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt nicht zuletzt den Stellenwert öffentlicher Register. Ist die Eintragung in das Vereinsregister erfolgt, kann nur die mit der Eintragung wirksam gewordene Satzung rechtsverbindlich sein. Will man nach alter Satzungsfassung getroffene Beschlüsse "retten", muss dies bei der Beschlussfassung über die Neufassung berücksichtigt werden.


11. Minijob-Beurteilung: Ständige Überwachung durch Arbeitgeber = Pflicht

Kernfrage/Rechtslage
Die Fragen, ob und wann bei Zusammentreffen mehrerer sog. geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (400-EUR-Jobs) wegen der dann gesetzlich vorgesehenen Zusammenrechnung der Entgelte die Sozialversicherungspflicht einsetzt sowie die Frage, ob bei Überschreitung der 400-EUR-Grenze auch rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden können, sind heftig umstritten und regelmäßiges Thema sozialversicherungsrechtlicher Betriebsprüfungen. Diese Fragen sowie die Frage, ob die Bundesknappschaft als zuständige Bundesbehörde die Sozialversicherungspflicht feststellen könne, waren Gegenstand zweier Revisionsverfahren, die wegen Rücknahme der Revisionen durch die Bundesknappschaft nicht entschieden werden mussten.

Entscheidung
Sachverhalt in beiden Revisionen war, dass die Bundesknappschaft festgestellt hatte, dass die betroffenen Arbeitnehmer aufgrund mehrerer 400-EUR-Jobs die Verdienstgrenze von 400 EUR überschritten hatten. Die jeweiligen Arbeitgeber hatten in ihrem jeweiligen 400-EUR-Job nicht nachgefragt, ob noch weitere 400-EUR-Jobs bestanden. Die Bundesknappschaft setzte darauf hin, rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Überschreitung der 400-EUR-Grenze, Sozialversicherungsbeiträge fest und unterlag vor Gericht. Auch das Bundessozialgericht wies in der durchgeführten mündlichen Verhandlung darauf hin, dass 1. nicht die Bundesknappschaft, sondern die Krankenkassen für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht zuständig seien und 2. die Versicherungspflicht erst ab Mitteilung an den Arbeitgeber beginnen könne. Aufgrund dieser Hinweise wurde die Revision zurückgenommen.

Konsequenz
Unabhängig davon, dass das Bundessozialgericht nicht entscheiden musste, bedeutet das Urteil zunächst, dass alleine die Krankenkassen bei 400-EUR-Jobs für die Feststellung der Versicherungspflicht zuständig sind. Für "Alt-Fälle" gilt darüber hinaus, dass die Versicherungspflicht bei Zusammentreffen mehrerer 400-EUR-Jobs erst ab Bekanntgabe an den Arbeitgeber einsetzen kann. Seit dem 1.1.2009 ist aber gesetzlich vorgeschrieben, dass sich Arbeitgeber - auch regelmäßig - nach anderen Beschäftigungsverhältnissen erkundigen müssen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, sind sie - auch rückwirkend - zur Beitragszahlung verpflichtet.


12. Anbau von Zuckermais ist bewertungsrechtlich gärtnerische Nutzung

Urteilsfall
Eine landwirtschaftliche GbR bewirtschaftete eine 104 ha große Fläche durch Anbau von Zuckermais. Durch Flächenexpansionen nahm das Finanzamt zum 1.1.1997 eine bewertungsrechtliche Wertfortschreibung vor. Der ergangene Einheitswert wurde gegenüber der zuletzt durchgeführten Bewertung heraufgesetzt, da die Flächenbewirtschaftung mit Zuckermais der Intensitätsstufe 2 zugeordnet wurde. Die Kläger waren demgegenüber der Ansicht, der Anbau von Zuckermais sei bewertungsrechtlich der Intensitätsstufe 1 zuzuordnen. Demzufolge beantragten sie die Reduzierung des Einheitswertes. Nachdem das Finanzgericht der Klage der Steuerpflichtigen statt gaben, legte das Finanzamt Revision gegen die Entscheidung ein. Es beantragte die Zuordnung zur gärtnerischen Nutzung und damit zur Intensitätsstufe 2.

Entscheidung
Der BFH führt in seinem Urteil aus, dass unter Gemüsebau, und damit gärtnerische Nutzung, der Anbau von Kulturpflanzen zu verstehen ist, deren Früchte, ohne weitere Verarbeitung, der menschlichen Ernährung dienen. Danach gilt der Anbau von Zuckermais als Gemüsebau der Intensitätsstufe 2, da die Maiskolben ohne weitere Verarbeitung unmittelbar in den Lebensmitteleinzelhandel gelangten. Nach Auffassung des BFH ist überdies entscheidend, dass Mais üblicherweise Bestandteil von Mischgemüse ist. Damit stellt Mais kein Grundnahrungsmittel dar. Unerheblich sind ebenfalls die tatsächlich erzielte Erträge, die Anbaumethoden sowie die botanische Einordnung der angebauten Kulturpflanzen.

Fazit
Gemüsebau der Intensitätsstufe 1 beinhaltet insbesondere Kopfkohl-, Pflückerbsen- und Pflückbohnenanbau. Zuckermais muss aus den genannten Gründen der Intensitätsstufe 2 zugerechnet werden und erfährt hierdurch eine höhere Bewertung im Sinne der Einheitsbewertung.


13. Kurzfristige Verpachtung von Stall und Kühen zur Milchabgabevermeidung

Sachverhalt
Der Kläger ist Inhaber eines Milcherzeugerbetriebs, der die Milch an eine Molkerei liefert. Durch eine kurzfristige, 2-monatige Verpachtung der Milchkühe, Stallgebäude und Güllebehälter an eine rund 400 km entfernte GmbH wollte der Kläger die Milchabgabe umgehen. Das zuständige Hauptzollamt forderte jedoch die Molkerei auf, durch eine berichtigte Abgabenanmeldung für den Kläger eine Abgabe wegen Überschreitung der Referenzmengen von 57.000 EUR anzumelden. Hiergegen richtet sich die Klage des Landwirts. Dieser führte aus, dass durch Verträge die Bewirtschaftung des Betriebs auf die GmbH übergangen war. Auch die Vereinbarungen, dass der Landwirt neben der Verpachtung auch die laufende Betreuung der Kühe übernehmen sollte, erscheint nicht problematisch. Das Hauptzollamt hingegen vertrat die Auffassung, dass der Landwirt auch während der Verpachtung Erzeuger der Milch geblieben ist und ihm damit die Überlieferung der Milchmengen zuzurechnen ist.

Entscheidung
Der BFH führt in seinem Urteil aus, dass es auf die Erzeugereigenschaft ankommt. Diese ist gegeben, wenn durch Bewirtschaftung eines Betriebs Milch oder Milcherzeugnisse produziert werden. Es ist nicht erforderlich, dass die Anlagen Eigentum des Bewirtschafters darstellen. Entscheidend ist vielmehr die selbstständige Bewirtschaftung. Dieses Kriterium lässt sich nur anhand der Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse entscheiden. So spricht nach Ansicht des BFH eine erste Vermutung gegen die tatsächliche Verpachtung, wenn der Pachtvertrag lediglich für kurze Zeit, hier 2 Monate, geschlossen wurde. Überdies würdigt der BFH das fehlende Bewirtschaftungskonzept der GmbH als Indiz für eine fehlende selbstständige Bewirtschaftung. Auch die Tatsache, dass der Landwirt mit der Betreuung der Herde beauftragt wurde, diese Leistung aber nicht fortlaufend kontrolliert wurden, steht dem Erfordernis der selbstständigen Leistung entgegen. Nach alle dem entschied der BFH, dass zwar die vertragliche Ausgestaltung der Verpachtung nicht anzuzweifeln war. Dennoch stand die Erzeugerstellung der GmbH lediglich auf dem Papier. Die tatsächlichen Verhältnisse lassen jedoch erkennen, dass der Landwirt Erzeuger geblieben ist.

Fazit
Es ist nicht ausreichend, Verträge zu schließen, die einen rechtlichen Rahmen für den Übergang der Erzeugereigenschaft sichern. Vielmehr muss auch die tatsächliche Betriebsführung vom Pächter übernommen werden. Hier reicht bereits Indizwirkung aus, um zivilrechtlich nicht zu beanstandende Verträge auszuhebeln und den Verpächter weiterhin als Milcherzeuger zu qualifizieren.


14. Haftungsbeschränkung bei Arbeitsunfällen ist verfassungsgemäß

Kernfrage
Nach den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen haftet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Arbeitsunfällen nur dann auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, wenn er den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat. Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte nunmehr über die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung zu entscheiden.

Entscheidung
Die Klägerin war in der Tierarztklinik des Beklagten als Hilfstierpflegerin beschäftigt. Auf Aufforderung hatte sie einen widerspenstigen Kater eingefangen, der untersucht und kastriert werden sollte, und war dabei gebissen worden. Eine Infektion beeinträchtigte den Heilungsprozess und führte schließlich dazu, dass der Klägerin ein künstliches Fingermittelgelenk eingesetzt werden musste. Mit ihrer Klage nahm die Klägerin den Arbeitgeber auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch und unterlag zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht. Ein Schmerzensgeld-Anspruch der Klägerin sei ausgeschlossen. Denn der Arbeitgeber hafte bei Arbeitsunfällen nur dann auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, wenn er den Schaden vorsätzlich herbeigeführt habe, was hier nicht der Fall war. Gegen diese Regelung bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfällen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Auch wenn Arbeitnehmer hierdurch schlechter gestellt würden als unbeteiligte Dritte, weil die gesetzliche Unfallversicherung den Schmerzensgeld-Anspruch nur teilweise kompensiert, stünde den Arbeitnehmern aber mit der jeweiligen Berufsgenossenschaft ein stets solventer Schuldner zur Verfügung. Im Übrigen sei die Haftungsbeschränkung gerechtfertigt, um Konflikte im Betrieb aufgrund zivilrechtlicher Haftungsfragen zu vermeiden.

Konsequenz
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie bestätigt das Haftungssystem der gesetzlichen Unfallversicherung und sichert dem die Arbeitsschutzregelungen einhaltenden Arbeitgeber die Haftungsabschirmung.


15. Klageerhebung per E-Mail in NRW ohne qualifizierte digitale Signatur

Kernproblem
Im modernen EDV-Zeitalter wird der Schriftverkehr im allgemeinen Geschäftsleben zunehmend per E-Mail geführt. Um die Integrität und Authentizität eines per E-Mail versandten Dokuments sicherzustellen, wurde die sog. qualifizierte digitale Signatur eingeführt, die an die Stelle der eigenhändigen Unterschrift tritt.

Sachverhalt
Die Klägerin erhob Klage gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung ihres Finanzamts. Die Übermittlung der Klageschrift an das Finanzgericht erfolgte per E-Mail, allerdings ohne Verwendung einer digitalen Signatur. Die E-Mail enthielt ein Anschreiben sowie die Klageschrift als Textdatei in einem Anhang und wurde, nachdem sie im elektronischen Postfach des FG eingegangen war, noch am gleichen Tag ausgedruckt. Das FG hatte sich der Frage anzunehmen, ob die Klageschrift wirksam zugegangen war.

Entscheidung des FG Düsseldorf
Das FG entschied, dass die Klageerhebung per E-Mail wirksam erfolgte. Der elektronische Rechtsverkehr mit den Finanzgerichten ist in der Finanzgerichtsordnung (FGO) geregelt. Danach können die Beteiligten dem Gericht elektronische Dokumente übermitteln, soweit dies durch Rechtsverordnung der Bundes- und Landesregierungen zugelassen ist. Weder der FGO noch der für das Land NRW geltenden "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten im Lande NRW" (ERVVO) sei zu entnehmen, dass die Verfahrensbeteiligten bei Übermittlung der Dokumente zwingend eine qualifizierte digitale Signatur beizufügen hätten. Bei der in § 52a Abs. 1 Satz 3 FGO vorgesehenen Regelung, wonach für die dort genannten Dokumente eine entsprechende Signatur vorzuschreiben ist, handele es sich nach dem klaren Wortlaut um eine Vorgabe an den Verordnungsgeber, nicht aber um eine von den Verfahrensbeteiligten unmittelbar zu beachtende Vorschrift. Im Übrigen sah das Gericht nach dem Inhalt der E-Mail keine Anhaltspunkte für etwaige Zweifel an der Authentizität und Identität der Klägerin.

Konsequenz
Das FG lehnt sich in seinen Entscheidungsgründen einem entsprechenden BFH-Beschluss aus März 2009 an. Dieser hatte entschieden, dass auch die elektronische Einlegung von Rechtsmitteln beim BFH keine qualifizierte digitale Signatur erfordert. Die Entscheidung ist begrüßenswert, denn es sind keine Gründe erkennbar, warum die Klageerhebung per E-Mail strengeren Formerfordernissen unterliegen sollte als die Klageerhebung via Telegramm und Computerfax, die bereits seit langem anerkannt sind.


16. LuF: Errichtung von Reihenhäusern als Entnahme

Urteilsfall
Der Sohn eines Landwirts erbte den landwirtschaftlichen Betrieb des Vaters. Dieser hatte den Betrieb bis 1979 selbst bewirtschaftet. Bereits in 1969 teilte er eine Parzelle in 9 Einzelflächen, veräußerte 8 Teilflächen und bebaute in der Folgezeit die verbleibende Parzelle mit 3 Reihenhäuser. Mit Einführung der Bodengewinnbesteuerung zum 1.7.1970 führte der Landwirt die verbleibende Parzelle als Betriebsvermögen auf. Die Einkünfte aus der Vermietung der Immobilien erklärte er jedoch als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Rahmen einer Betriebsprüfung widmete das Finanzamt die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als solche aus Land- und Fortwirtschaft um. Das Finanzamt führte aus, dass durch fehlende Entnahmehandlung das Grundstück gewillkürtes Betriebsvermögen geblieben ist. Das Gebäude teilt insofern das Schicksal des Grundstücks. Damit legte die Betriebsprüfung das Gebäude mit den fortgeführten Anschaffungskosten ins Betriebsvermögen ein. Durch erbrechtliche Auseinandersetzung mit der Schwester waren anschließende Zwangsentnahmen als laufender Entnahmegewinn zu versteuern.

Entscheidung
Der BFH urteilte, dass das Grundstück zum 1.7.1970 zutreffend dem Betriebsvermögen zugeordnet wurde. Diese Eigenschaft verlieren Grundstücke nur dann, wenn der sachliche und persönliche Zusammenhang gelöst wird. Zumindest aber ist eine Entnahmehandlung erforderlich, die sich entweder durch Entnahmeerklärung oder schlüssiges Verhalten ergibt. Dies muss unmissverständlich und von einem entsprechenden Entnahmewillen getragen sein. Der BFH entschied deshalb, dass im vorliegenden Fall eine Entnahmehandlung vorliegt. Denn die Errichtung der Häuser erfolgte im Privatvermögen. Durch Zuordnung der Verkaufserlöse der 8 veräußerten Parzellen zum Privatvermögen oder aber durch gedankliche Ausbuchung der Herstellungskosten aus dem Betriebsvermögen sieht der BFH eine eindeutige Entnahmehandlung. Da ein Grundstück und das aufstehende Gebäude grundsätzlich nur einheitlich dem Betriebs- oder Privatvermögen zugeordnet werden kann, konnte zum Zeitpunkt der Gebäudefertigstellung das Grundstück nicht mehr Betriebsvermögen darstellen. Auch die unveränderte Fortführung des Grundstücks als Betriebsvermögen ändert an der Zuordnung nichts.

Fazit
Das Urteil macht einmal mehr deutlich, dass Entnahmen aus dem Betriebsvermögen zwingend durch eindeutige Entnahmehandlungen zu dokumentieren sind. Lediglich eine geänderte Zuordnung zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bzw. zum Grundvermögen im bewertungsrechtlichen Sinne sind nicht ausreichend.


17. Grundpreise müssen auf einen Blick mit dem Endpreis wahrnehmbar sein

Einführung
Nach einer gesetzlichen Vorschrift (§ 2 Abs. 1 PAngV) ist bei Waren neben dem Endpreis auch der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe anzugeben. Durch die Angabe des Grundpreises soll den Verbrauchern eine vereinfachte Möglichkeit zum Preisvergleich verschafft werden. Streitig war, wie "in unmittelbarer Nähe des Endpreises" in räumlicher Hinsicht auszulegen ist.

Entscheidung
Die Beklagte verkauft über das Internet Tierpflegeprodukte. Gegenüber einem Verband hat sich die Beklagte verpflichtet, es zu unterlassen, für Produkte ihres Sortiments ohne Angabe des Grundpreises nach PAngV zu werben. Für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung sollte sie eine Vertragsstrafe zahlen. In der Folge warb die Beklagte auf ihrer Startseite mit einem Sonderangebot. Der Grundpreis war erst auf einer weiteren Seite angegeben, zu der man durch Anklicken des Produkts gelangte. Nach Auffassung des Verbands hat die Beklagte ohne Angabe eines Grundpreises geworben und damit die vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt. Der Klage des Verbands auf Zahlung von 3.000 EUR wurde stattgegeben. Die Revision vor dem BGH blieb ohne Erfolg. "In unmittelbarer Nähe des Endpreises" setze voraus, dass beide Preise auf einen Blick wahrgenommen werden können. Die bloße unmittelbare Erreichbarkeit reiche im Hinblick auf den klaren Wortlaut nicht aus. Die PAngV sehe keine Abstufung der formalen Anforderungen an Endpreisangaben einerseits und Grundpreisangaben andererseits vor. Insbesondere gelten die in § 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV statuierten Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit für Grundpreise in gleicher Weise wie für Endpreise.

Konsequenz
Zur Vermeidung von kostenträchtigen Abmahnungen sollten Unternehmer, die Verbrauchern Waren anbieten, unbedingt die Vorgaben der Preisangabenverordnung beachten. Aufgrund der leichten Recherchierbarkeit solcher Verstöße im Internet ist mit einer verstärkten Überwachung durch Verbände und Wettbewerber zu rechnen.


18. Schmerzensgeld vom Zahnarzt: Patient ist kein Versuchskaninchen

Kernaussage
Nach mehrmaliger Fehlbehandlung eines Zahnarztes muss der Patient die falsche Behandlung nicht hinnehmen. Er kann eine andere Praxis zur Fehlerkorrektur aufsuchen und Schmerzensgeld verlangen.

Sachverhalt
Die Klägerin war Patientin des bei der Beklagten angestellten mitverklagten Zahnarztes. Die Behandlung im Jahre 2002 hatte den Ersatz von 2 Backzähnen durch Brücken zum Gegenstand, die jedoch angesichts der Schmerzen, an denen die Klägerin nach der Behandlung litt, missglückte. Anfang Januar 2003 wurde auf Antrag der Krankenkasse der Klägerin ein Gutachten erstellt, das die Mängel der Behandlung aufdeckte. Aufgrund des gestörten Vertrauensverhältnisses verweigerte die Klägerin eine Nachbesserung und ließ sich fortan im Universitätsklinikum behandeln. Sie verlangte Schmerzensgeld sowie den Ersatz von Fahrtkosten zu 45 Nachbehandlungsterminen. Das Landgericht wies die Klage ab, auf die Berufung der Klägerin gab ihr das OLG teilweise statt.

Entscheidung
Die Beklagte schuldete der Klägerin immateriellen und materiellen Schadensersatz aus einem schlecht erfüllten Dienstvertrag. Der Anspruch auf Schmerzensgeld wegen der fehlerhaften Anpassungsversuche des Zahnarztes und der notwendigen erneuten Behandlung war gerechtfertigt. Ihm konnte nicht entgegengehalten werden, dass die Klägerin weitere Nachbesserungsversuche verweigerte, da ihr dies nach 2-maliger Nachbehandlung nicht mehr zuzumuten war. Die Beklagte schuldete der Klägerin im Übrigen Schadensersatz für die notwendigen weiteren Aufwendungen im Rahmen der Nachbehandlung. Der Klägerin stand es frei, die Nachversorgung im Universitätsklinikum fortführen zu lassen, da nicht erkennbar war, dass mehr als nur eine ordnungsgemäße Standardversorgung der Klägerin erzielt wurde. Die Beklagte hatte demnach auch die Fahrtkosten der Klägerin zu den 45 Nachbehandlungsterminen zu erstatten. Nicht geschuldet war allerdings der Ersatz der Zuzahlungen für die neuen Brücken, da die Klägerin diese Kosten ohnehin hätte aufbringen müssen.

Konsequenz
Nach 2 fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuchen kann ein Patient den Arzt wechseln, ohne seine Ansprüche auf Schmerzensgeld und Fahrtkostenersatz zu verlieren. Er kann hierbei frei wählen, wem er sich anvertraut. Dies kann eine Zahnklinik sein, auch wenn ein niedergelassener routinierterer Zahnarzt eine kürzere Behandlungszeit benötigen würde.


19. Die Vereinsrechtsreform kommt

Vereinsrechtsreform passiert den Bundesrat
Der Bundesrat hat am 18.9.2009 den Weg für Veränderungen im Vereinsrecht freigemacht. Die Neuregelungen sehen insbesondere eine Haftungsbegrenzung für ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände vor. Ferner wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Bundesländer künftig alternativ zu Anmeldungen in Papierform elektronische Anmeldungen zum Vereinsregister einführen können. Hintergrund der Neuregelungen ist die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen des Ehrenamts. Ziel ist es, das Engagement der ehrenamtlich Tätigen zu unterstützen und zu fördern.

Haftungsbegrenzung für Vereinsvorstände
Der neue § 31a BGB beinhaltet eine angemessene Haftungserleichterung für Vereins- und Stiftungsvorstände, die unentgeltlich tätig sind oder für ihre Tätigkeit ein geringfügiges Honorar von maximal Euro 500 im Jahr erhalten. Sie haften nur noch bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Die Wertgrenze orientiert sich an dem Steuerfreibetrag für Vereinsvorstände. Allerdings gelten die Haftungstatbestände im Sozialversicherungs- und Steuerrecht weiterhin (§ 28e SBG IV, §§ 34, 69 AO).

Vertretungsregelung
§ 26 BGB stellt nunmehr klar, dass der Verein/Verband von der Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten wird. Durch die Satzung kann aber nach wie vor eine andere Regelung festgelegt werden.

Elektronische Anmeldung zum Vereinsregister
Die Anmeldungen zum Vereinsregister, eines Vorstandswechsels oder einer Satzungsänderung können künftig auch in elektronischer Form beim Registergericht eingehen. Ebenso wird das Vereinsregister auch in elektronischer Form geführt. Eine Anmeldung in Papierform, wie bisher, ist aber weiterhin möglich. Bei Satzungsänderungen muss auch der vollständige Wortlaut der Satzung ergänzend mit eingereicht werden.

Diverse weitere Änderungen
Das Gesetz zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister enthält darüber hinaus weitere registerrechtliche Änderungen, die Anmeldungen und Eintragungen erleichtern und den Informationswert des Vereinsregisters erhöhen sollen.


20. Gefahrenzulagen stellen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar

Einleitung
Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören u. a. Gehälter, Löhne und andere Bezüge, die für eine Beschäftigung gewährt werden. In § 3 EStG ist die Steuerfreiheit von Einnahmen und in § 3b EStG die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gesetzlich bestimmt.

Sachverhalt
Der Kläger ist im Kampfmittelbeseitigungsdienst beschäftigt. Für diese Tätigkeit erhält er neben seinem Grundgehalt Gefahrenzulagen. Im erfolglosen Einspruchsverfahren begehrte der Kläger die Steuerfreiheit der Gefahrenzulagen analog § 3b EStG, da die Gefahrenzulagen ebenso wie die in § 3b EStG geregelten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszulagen eine sog. Erschwerniszulage darstellen, die besondere Belastungen und Erschwernisse der Arbeit ausgleichen sollen.

Entscheidung
Das FG Köln hat die Steuerfreiheit der Gefahrenzulagen ebenfalls verneint. Als Arbeitslohn seien alle Einnahmen einzuordnen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Dazu zählen auch Zuschläge, die ein Arbeitgeber neben dem Grundgehalt zahle. Da die Vergünstigung nach § 3b EStG ausschließlich für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gilt, kommt eine Ausdehnung auf andere Einnahmen weder im Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift in Betracht.

Konsequenz
Seitens der Rechtsprechung bestehen im vorliegenden Fall auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, die zur Folge haben könnten, die Zuschläge des Klägers steuerfrei zu belassen. Dies erfolgt lediglich für die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge, die wegen ihrer besonderen Belastung für die Arbeitnehmer und deren Familien steuerfrei zu behandeln sind.


21. Betriebsprüfungen im Jahrestakt

Themenstellung
Nach der Betriebsprüfungsordnung unterliegen Großbetriebe der lückenlosen Anschlussprüfung durch die Finanzverwaltung. Jeder Prüfungszeitraum schließt an den vorherigen Zeitraum an, so dass im Ergebnis jeder Veranlagungszeitraum vom Betriebsprüfer geprüft wird. In der Vergangenheit wurden regelmäßig 3 oder mehrere Jahre im Rahmen einer Prüfung überprüft. In NRW wurde die zeitnahe Betriebsprüfung eingeführt, bei der vom Finanzamt zeitnah jeweils nur ein Veranlagungszeitraum geprüft wird.

Sachverhalt und Entscheidung
Im Streitfall wehrte sich das betroffene Unternehmen gegen die Anordnung einer Betriebsprüfung, die nur für einen Veranlagungszeitraum getroffen wurde. Die Festsetzung eines einjährigen Prüfungszeitraumes sei ermessensfehlerhaft, da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel und das Willkür- und Übermaßverbot verletzt würden. Die steuerliche Außenprüfung sei ein belastender Eingriff der Finanzverwaltung, der sowohl interne als auch externe Kosten durch Mitwirkung der Geschäftsführung und Begleitung durch den steuerlichen Berater verursache. Die Kosten für die Begleitung einer ein Jahr umfassenden Prüfung seien um den Faktor 3 bzw. 2,5 höher als in der Fallkonstellation des 3-jährigen Prüfungszeitraumes. Die vollumfängliche sachliche und zeitliche Mitwirkung des Unternehmens bei bisherigen Betriebsprüfungen zeige ebenfalls, dass die Abkehr von dem bisher üblichen 3-jährigen Prüfungszeitraum willkürlich sei. Risikopotentiale i. S. d. Erlasses des Finanzministers, wie z. B. ein Konzernverbund, Auslandssachverhalte, Umwandlungsvorgänge oder komplizierte Bewertungsvorgänge, seien nicht zu erkennen. Das Finanzgericht erkennt die zunehmende Intensität des mit der Außenprüfung verbundenen belastenden Eingriffs an, wenn gegen den Willen des Steuerpflichtigen eine Verkürzung des Prüfungszeitraumes vorgenommen wird. Es setzt die Anordnung der Betriebsprüfung für einen einjährigen Prüfungszeitraum in diesem Fall als ermessensfehlerhaft aus.

Konsequenz
Die zeitnahe Betriebsprüfung, die nur einen Prüfungszeitraum von einem Jahr umfasst, sollte nicht nur negativ gesehen werden. Die Reduzierung von Zinsnachteilen auf Steuernachzahlungen sowie die zeitnahe Konfrontation des Betriebsprüfers mit steuerrechtlich zu würdigenden, noch präsenten und nachweisbaren Sachverhalten sind durchaus positive und kostenreduzierende Aspekte. Dennoch ist es zu begrüßen, dass ermessensfehlerhaft angeordnete verkürzte Prüfungszeiträume nicht vom Unternehmen hingenommen werden müssen.


22. Wettbewerbliche Irreführung durch Zeichen mit dem Zusatz ®

Einführung
Eingetragene Marken werden häufig mit dem Symbol ® gekennzeichnet, um deutlich zu machen, dass es sich hierbei um geschützte Kennzeichen handelt. Streitig war, ob der Inhaber einer Marke auch ein ähnliches Zeichen mit der Beifügung ® benutzen darf.

Entscheidung
Die Parteien, die beide Rollos vertreiben, haben über die Berechtigung gestritten, mit dem Zeichen "Thermoroll®" zu werben. Die Klägerin ist Inhaberin der Wortmarke "Termorol". Die Beklagte hat Werbematerial verwendet, das mit dem Zeichen "Thermoroll®" versehen war. Seit Anfang 2006 ist die Klägerin aufgrund eines Lizenzvertrags berechtigt, die eingetragene Wort-/Bildmarke "Thermoroll" zu nutzen. Die Beklagte berief sich auf eine Nutzungslizenz für eine 3 Tage ältere Wortmarke "Thermoroll". Die Beklagte beantragte widerklagend, die Klägerin zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie bis zum Abschluss des Lizenzvertrags mit dem Zeichen "Themoroll®" geworben hat, und die Verpflichtung der Klägerin auf Schadensersatz festzustellen. Auf die Revision der Beklagten wurde die Klägerin zur Auskunftserteilung und Schadensersatz verurteilt. Die Werbung der Klägerin sei irreführend, weil diese bis zum Abschluss des Lizenzvertrags weder Inhaberin einer eingetragenen Marke "Thermoroll" noch zu deren Nutzung berechtigt war. Die angesprochenen Verkehrskreise mussten der Beifügung des ® zum Zeichen "Thermoroll" entnehmen, dass es genau diese Marke gebe und die Klägerin zu deren Benutzung berechtigt sei. Nur geringfügige Abweichungen, die auch einer rechtserhaltenden Benutzung nicht entgegen stünden, wären insofern unschädlich gewesen. Das Hinzufügen von Buchstaben sei jedoch nur dann für die Frage der rechterhaltenden Benutzung unerheblich, wenn sie weder phonetische noch begriffliche Bedeutung haben. Hier aber hätte die Verwendung eines Doppelkonsonanten am Wortende zu einer veränderten Aussprache geführt und die Einfügung des "h" hinter dem Anfangsbuchstaben "T" eine stärkere Assoziation zu dem Begriff "Therm-" geweckt. Die Klägerin sei sich zudem des Unterschieds zwischen ihrer Marke "Termorol" und dem verwendeten Zeichen "Thermoroll®" bewusst gewesen. Es liege auf der Hand, dass sich ein Unternehmen, das in dieser Weise den falschen Eindruck erweckt, Rechte an einem bestimmten Zeichen zu besitzen, hiervon einen Vorteil gegenüber den Abnehmern verspricht.

Konsequenz
Es ist ureigenste Aufgabe des Irreführungsverbots, die Werbung mit der Unwahrheit im geschäftlichen Verkehr zu unterbinden. Auch die Verwendung des Zeichens ® kann daher kritisch sein.


23. Offenlegung von Jahresabschlüssen im eBundesanzeiger wird billiger

Einführung
Seit Anfang 2007 sind Unternehmen verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse im Internet abrufbar offenzulegen. Sie müssen diese zur Veröffentlichung zentral beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers einreichen. Dies betrifft alle Kapitalgesellschaften sowie alle Personengesellschaften ohne natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter. Die Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH stellt im Auftrag des Bundesjustizministeriums eine Publikationsplattform des elektronischen Bundesanzeigers unter www.ebundesanzeiger.de zur Verfügung. Die Unterlagen müssen in elektronischer Form beim Bundesanzeiger eingereicht werden. Bis Ende 2009 ist die Papierform noch gestattet. Da der Bearbeitungsaufwand je nach geliefertem Datenformat unterschiedlich ist, hängt die Höhe des Entgelts für die Veröffentlichung vom Anlieferungsformat ab. Etwa 80 % aller Unternehmen nutzen bereits das kostengünstige Standardformat XML/XBRL. Die Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft hat schon im letzten Jahr die Entgelte im elektronischen Bundesanzeiger um durchschnittlich 30 % gesenkt. Erneute Einsparungen werden mit den nun anstehenden Preissenkungen an die Unternehmen weitergegeben.

Änderung
Die Preise für die verpflichtende Offenlegung von Jahresabschlüssen im elektronischen Bundesanzeiger sinken zum 1.10.2009. Im Standardformat XML/XBRL kostet die Anlieferung des Jahresabschlusses künftig 30 EUR (bisher: 35 EUR) und für kleine und für mittelgroße Gesellschaften 48 EUR (bisher: 55 EUR).


24. BFH: "Untervermittler" mit Zuführungsprovision

Kernproblem
Die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters umfasst alle Leistungen im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Vermittlung von Versicherungsverträgen. Diese Leistungen sind von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 11 UStG). Die Frage, ob die Steuerfreiheit auch für einen Unternehmer gilt, der gegen Provision Kunden an einen Versicherungsvertreter vermittelt, war Gegenstand einer BFH-Entscheidung.

Sachverhalt
Die Klägerin vereinbarte mit einem selbstständigen Versicherungsvertreter, diesem aus ihrem Kundenkreis Namen von potentiellen Versicherungsnehmern zu benennen. Im Falle eines Geschäftsabschlusses erhielt die Klägerin als Zuführungsprovision einen Anteil an der Provision des Versicherungsvertreters. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht behandelten die Leistungen der Klägerin gegenüber dem Versicherungsvertreter als umsatzsteuerpflichtig.

Entscheidung des BFH
Der BFH wertete die Tätigkeit der Klägerin als umsatzsteuerfreie Leistung. Die Tätigkeit der Klägerin erfülle die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlung, nämlich die am Abschluss eines Versicherungsvertrags interessierten Personen ausfindig zu machen und mit dem Versicherer zusammen zu bringen. Unschädlich für die Umsatzsteuerfreiheit der erbrachten Vermittlungsleistung sei, entgegen der Auffassung des Finanzgerichts, dass die Klägerin nicht sämtliche üblicherweise im Zusammenhang mit einem Vermittlungsgeschäft anfallenden Tätigkeiten übernommen hat (z. B. Vorbereitung des Abschlusses des Versicherungsvertrags oder die Mitwirkung bei der Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen). Auch stehe der Umsatzsteuerfreiheit nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Leistungen ausschließlich gegenüber dem Versicherungsvertreter erbrachte und damit keine unmittelbare Beauftragung durch die Parteien des zu vermittelnden Vertrags (Versicherer und Kunde) vorgelegen hat. Der Rechtsprechung des EuGH folgend genüge für die Verbindung zwischen dem Versicherungsvermittler und den Vertragsparteien eine mittelbare Verbindung über einen anderen Steuerpflichtigen - hier den Versicherungsmakler -, der selbst in unmittelbarer Verbindung zu einer dieser Parteien stehe.

Konsequenz
Der BFH hat sich der Auffassung des EuGH angeschlossen und Untervermittlungsleistungen im Bereich der Versicherungsumsätze von der Umsatzsteuer befreit. Zudem hat er den Begriff "Vermittlung" nochmals klarstellend definiert. Eine steuerfreie Vermittlungsleistung liegt somit nicht vor, wenn es sich nur um eine untergeordnete Tätigkeit eines lediglich mit einem Teil der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit betrauten Subunternehmers handelt (z. B. Datenerhebungen von Kunden für potentielle Vertragsabschlüsse).


25. Insolvenzverwalter darf nur ausnahmsweise Lohn zurückverlangen

Kernaussage
Weiß ein Arbeitnehmer, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erbringt, dass der Arbeitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig ist, rechtfertigt allein diese Kenntnis nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder -einstellung des Arbeitgebers. Ist der Gläubiger ein Arbeitnehmer des Schuldners ohne Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens, trifft ihn in der ihm bekannten Krise insoweit keine Erkundigungspflicht.

Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des insolventen Arbeitgebers. Dieser betrieb ein Bauunternehmen mit ca. 40 Arbeitnehmern. Ab Herbst 2003 geriet er mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand und war ab Mai 2004 zahlungsunfähig. Der Beklagte, ein dort beschäftigter Elektroinstallateur, erhielt im Juli noch seinen für März und April ausstehenden Lohn. Der Insolvenzverwalter forderte die Lohnzahlungen vom Beklagten zurück. Die Klage war erstinstanzlich teilweise erfolgreich, das Berufungsgericht und der BGH wiesen die Klage ab.

Entscheidung
Weil der beklagte Arbeitnehmer von der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers keine positive Kenntnis gehabt habe, kann ihm nach Ansicht des BGH nur seine Kenntnis von den Begleitumständen vorgehalten werden, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Gehen aber in die Vorstellung des Arbeitnehmers Annahmen ein, die einen Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit nicht zwingend nahelegen, fehlt es ihm an einer für die Insolvenzanfechtung erforderlichen Kenntnis. Anders als institutionelle Gläubiger oder solche mit Insiderwissen trifft einen außenstehenden Kleingläubiger zudem keine Pflicht, sich nach der Zahlungsfähigkeit seines Schuldners zu erkundigen. Dementsprechend konnte der Beklagte Umfang und Bedeutung der Lohnrückstände mangels Kenntnis aller anderen offenen Forderungen nicht einordnen.

Konsequenz
Ein Insolvenzverwalter kann nur mit großer Mühe vor Gericht den Nachweis führen, dass ein Arbeitnehmer negative (Presse-) Mitteilungen, z. B. über gesperrte Kreditlinien, kannte. Er wird daher vorsichtig die Erfolgsaussichten einer Lohnanfechtung prüfen müssen, um eine Schmälerung der Insolvenzmasse durch sinnlose Prozesskosten zu vermeiden.


26. Urheberrechtsschutz für Allgemeine Geschäftsbedingungen?

Kernaussage
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) können grundsätzlich urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie sich konzeptionell und sprachlich von üblichen AGB-Standard-Texten unterscheiden.

Sachverhalt
Die Antragsgegnerin, eine GmbH, hatte bei Verkäufen auf der Internetplattform ebay Allgemeine Geschäftsbedingungen benutzt, die sie vollumfänglich und unter bloßer Abänderung der Firma und Adresse von der Antragstellerin übernommen hatte. Die Antragstellerin beantragte im Wege einer einstweiligen Verfügung, der Antragsgegnerin die Benutzung der AGB zu verbieten. Der Antrag hatte Erfolg, die hiergegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerin wurde zurückgewiesen.

Entscheidung
Eine den Unterlassungsanspruch auslösende Urheberrechtsverletzung lag vor, denn indem die Antragsgegnerin unstreitig die AGB der antragstellenden GmbH bis auf Firma und Adresse identisch übernahm, verletzte sie das ausschließliche Verwertungsrecht der Antragstellerin als Urheberin dieser AGB (§§ 2, 7, 15 ff. UrhG). AGB können als wissenschaftliches Gebrauchssprachwerk eine persönliche geistige Schöpfung darstellen und damit urheberrechtsfähig sein, wenn sie sich wegen ihres gedanklichen Konzepts oder ihrer sprachlichen Fassung von gebräuchlichen juristischen Standardformulierungen abheben, wobei knappe und zutreffende rechtliche Formulierungen, die durch Rechtslage und sachliche Regelungsanforderungen geprägt sind, nicht monopolisiert werden dürfen. Es ist generell Tatfrage, ob ein Klauselwerk insgesamt hinreichend individuell konzipiert und formuliert ist. Die streitbefangenen AGB hoben sich wegen der Art der Gedankenführung und einzelner Formulierungen vom allgemein Üblichen - wenn auch nur geringfügig - ab und waren damit trotz geringen Schutzumfangs gegen praktisch identische Übernahmen geschützt. Die Antragsgegnerin hätte dartun müssen, dass die AGB keine eigene Schöpfung der Antragstellerin waren, sondern ihrerseits aus fremden oder allgemein zugänglichen Quellen übernommen wurden.

Konsequenz
Sind außergewöhnliche Merkmale vorhanden und die AGB daher urheberrechtlich geschützt, dürfen sie nur noch mit Zustimmung des Verfassers verwendet werden. Eine unerlaubte Verwendung durch andere Unternehmen ist rechtswidrig.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.


Mit freundlichen Grüßen


Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de